31.07.2017
Familie Gmeiner verbindet den bäuerlichen Betrieb mit einer Tagesstruktur für Menschen mit Behinderung
Der bäuerliche Betrieb von Stefan und Birgit Gmeiner in Alberschwende/Vorarlberg, hat eine fast klassisch zu nennende Geschichte, die eine ganz neue Wende genommen hat. Im Jahr 2002 hat Stefan Gmeiner den Hof, der sich seit 1840 in Familienbesitz befindet, übernommen. Mit dem Generationenwechsel ist oft die Frage verbunden, wie weitergewirtschaftet werden soll und welche Optionen bestehen. Ein Jahrzehnt später folgte der Entschluss auf Biolandwirtschaft umzustellen. Mit der Geburt der Kinder rückte der Nachwuchs bei Birgit Gmeiner an erste Stelle und sie begann auszuloten, welche Möglichkeiten bestehen, ihre Kenntnisse verstärkt auf dem Hof einzusetzen, um viel Zeit für ihre Kinder zu haben. Bei der Lektüre der Kammerzeitung "Unser Ländle" stieß die junge Bäuerin auf einen Artikel über das Vorhaben Green Care – Wo Menschen aufblühen und hat innerhalb kürzester Zeit ihre sozialen Kompetenzen als ausgebildete Kindergarten- und Sonderkindergartenpädagogin perfekt mit der Landwirtschaft verknüpft, sodass nun Menschen mit Behinderungen bei ihr eine Tagesstruktur finden und in den bäuerlichen Lebensalltag eingebunden sind.
Dr. Gebhard Bechter, Direktor der Landwirtschaftskammer Vorarlberg und zweiter Obmann-Stellvertreter des Vereins Green Care Österreich, unterstützt diese Diversifizierung der bäuerlichen Bertriebe in seinem Bundesland, da die Bauernhöfe mit ihren individuellen Gegebenheiten im sozialen Bereich einzigartige Möglichkeiten bieten, wenn die Betriebsführerinnen und Betriebsführer eine Leidenschaft dafür entwickeln. "Soziale Landwirtschaft - damit haben die Gmeiners sich und ihren Betreuten einen Traum erfüllt", ist Bechter überzeugt. In der Landwirtschaftskammer erhalten interessierte Landwirtinnen und Landwirte Erstauskünfte und mit dem Verein Green Care Österreich tatkräftige Unterstützung bei der Umsetzung von sozialen Projekten auf ihren Höfen.
Biobetrieb mit Sinn für Tradition, einer positiven Einstellung zur Natur und Gespür für Menschen
Stefan und Birgit Gmeiner sind ein sehr engagiertes junges Ehepaar, das die Familienlandwirtschaft in Alberschwende gemeinsam im Nebenerwerb führt. Vor mittlerweile fünf Jahren wurde der Betrieb auf Biolandwirtschaft umgestellt. Wie der Name "Gmeiner´s Natur & Genuss"-Biobauernhof bereits verrät, wird auf die Umwelt und das Natürliche großer Wert gelegt. Auf die Felder kommt nur hofeigener Dünger, zum Schutz der Biodiversität wird das Grünland maximal dreimal im Jahr gemäht. Auch beim Tierbestand achten die Gmeiners auf alte, vom Aussterben bedrohte Rassen, wie Schwäbisch Hällische Landschweine, Tauernschecken (Ziegenrasse) und Sundheimer Hühner. Außerdem leben auf dem Betrieb auch Streicherenten, Hund und Katze. Mit Fleckvieh und Braunvieh wird Mutterkuhhaltung betrieben, sie werden aber auch gezüchtet. Verfüttert wird den Tieren nur bestes Biofutter, auf Silage wird verzichtet. Daher wird auch das gesamte Fleisch mit Bio-Zertifikat direkt vermarktet.
Als zweites Standbein hat der gelernte Tischler Stefan Gmeiner 2008 seine eigene Tischlerei "Holz-Handwerk-Möbel" gegründet, in der er vorzugsweise mit Holz aus dem eigenen Wald Möbel und Kinderspielzeug herstellt, sowie Altbausanierungen und Innenausbauten durchführt.
Birgit Gmeiner: Arbeitsmöglichkeit mit Zeit für die Kinder
Nachdem ihre beiden Kinder (2013 und 2014) geboren waren, stellte sich für Birgit Gmeiner die Frage, wie sie ihre Fähigkeiten als gelernte Sonderkindergartenpädagogin weiter einsetzen könnte, dabei aber auch ausreichend Zeit für den Nachwuchs hätte. 2016 stieß sie auf einen Artikel über Green Care – Wo Menschen aufblühen. Diese Idee wollte sie auch auf ihrem eigenen Betrieb umsetzen. "Der Gedanke war, langzeitarbeitslosen Menschen eine Beschäftigung auf unserem Hof zu geben und damit die Chance auf einen Wiedereinstieg ins Arbeitsleben", erklärt Birgit Gmeiner. Doch es sollte anders kommen. Bei einem von der Landwirtschaftskammer und Bäuerinnen organisiertes Green Care-Vernetzungstreffen lernte sie Mag. Andreas Bartl, den Geschäftsbereichsleiter "Arbeiten & Beschäftigen" der Lebenshilfe Vorarlberg kennen, der auf der Suche nach Beschäftigungsmöglichkeiten für die von der Lebenshilfe begleiteten Menschen in der freien Wirtschaft war. Dass die regionale Landwirtschaft dabei ebenfalls Möglichkeiten bietet, zeigen die seit drei Jahren bestehenden Arbeitsplätze bei "Dietrich Kostbarkeiten" in Lauterach. Aus einem Schnuppertag auf "Gmeiner´s Natur & Genuss"-Biobauernhof wurde sehr rasch eine sinnvolle Beschäftigung im Rahmen einer Tagesstruktur. „Das vertrauensvolle Verhältnis zwischen der Familie und den Mitarbeitern/innen der Lebenshilfe-Werkstätte Langenegg bildet eine weitere Grundlage für die wertvolle Begleitung der am Bauernhof beschäftigten Menschen", erläutert Bartl.
Nach Birgit Gmeiners Einschulung in die allgemeine Arbeit der Lebenshilfe kommen seit Anfang November 2016 zwei Klienten einmal die Woche für sechs Stunden auf den Hof und helfen der jungen Bäuerin bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten. "Das Arbeitsausmaß ist auf die körperliche Verfassung unserer Klienten abgestimmt. Brot backen, Bügeln und die Gartenpflege sind die Lieblingsbeschäftigungen unserer Betreuten, an denen sie eine Riesenfreude haben. Einfach auch, weil sie aus der Werkstätte, wo sie sonst ihre Tage verbringen, rauskommen und mit unserer Familie zusammen sind. Das freut sie ungemein, wie sie immer wieder sagen", erzählt Birgit Gmeiner. Und für die Lebenshilfe Vorarlberg erfüllt sich damit das eigene Motto "Menschen brauchen Menschen". "Die am Biobauernhof Gmeiner begleiteten Menschen erleben einen respektvollen Umgang mit der Schöpfung, sind Teil der gastfreundlichen Hofgemeinschaft, übernehmen Verantwortung für alltägliche Aufgaben am Bauernhof und erleben die Produktion von Lebensmittel", ist Bartl glücklich über die Möglichkeiten, die diese Kooperation ermöglicht.
v.l.: Birgit Gmeiner mit ihrer Tochter und Kammerdirektor Dr. Gebhard Bechter, LK Vorarlberg
Ein Klient bei der Pflege des Gartens.