27.10.2021
„Ziemlich gute Jahre“
Mit Esprit und reichlich Humor näherten sich bekannte Vortragende aus Österreich, Deutschland und der Schweiz dem Thema „Älterwerden im ländlichen Raum“ - unter dem Motto: „Ziemlich gute Jahre“ an. Das System stößt allerdings zunehmend an seine Grenzen, etwa in der Betreuungskapazität auf Gemeindeebene, wie Bürgermeister Gerhard Beer in seiner Begrüßung warnte. Eigeninitiative ist gefragt, so lautete der durchgehende Tenor. Erika Geser-Engleitner von der Fachhochschule Vorarlberg verwies auf die zunehmende Angleichung der Landregionen an städtische Lebenswelten, die erodierende Dorfgemeinschaft bei einem sich gleichzeig stark ändernden Altersbild. Laut sozialwissenschaftlichen Studien beginnt mit 45 Jahren das „gefühlte Alter“ vom Kalenderalter abzuweichen: 70-Jährige fühlen sich im Schnitt um 11 Jahre jünger! Diese „gewonnenen Jahre“ der späten Freiheit und Selbstbestimmtheit gilt es sinnvoll zu nutzen, ein Thema, das Ludwig Hasler in seinem eindrucksvollen Vortrag bewegte. Der Traum vom Glück im Nichtstun bleibe meist ein Traum; die bestgelaunten Älteren würden im geübten Bereich einfach weitermachen; die Aufgaben und damit das Glück, z.B. gebraucht zu werden, lägen vor der Haustür. Es gehe wesentlich darum, sich als Teil eines größeren Ganzen zu sehen, an etwas Größerem mitzuwirken, das den Einzelnen überdauert und damit nachhaltig Sinn ergibt. Die nur durch Altersjahre zu erwerbende Erfahrung, das „praxisgesättigte Wissen“ gelte es zu „verheiraten“ mit dem neuesten Forschungswissen der Jungen – „dann sind wir als Gesellschaft unschlagbar!“
Die Landwirtschaft und das gelebte Miteinander der Generationen hat hier Vorbildwirkung. Über Jahrzehnte erworbene Erfahrung der Älteren wird mit innovativen Ansätzen der Hofnachfolgerinnen und Hofnachfolger kombiniert und bietet so Zukunftswege für die bäuerlichen Betriebe“ unterstreicht der Kammerdirektor der LK Vorarlberg, DI Stefan Simma, die Sinnhaftigkeit dieses Ansatzes. „Junge können sich entfalten und Ältere bringen ihr Erfahrungswissen ein.“
Teil der von Landesrätin Katharina Wiesflecker auf der Veranstaltung propagierten „Caring Communities“ (Sorge-Gemeinschaften), zu denen die präsentierten Initiativen wichtige Beiträge liefern und für welche die strukturellen Rahmenbedingungen geschaffen werden sollten, ist auch Green Care - Wo Menschen aufblühen, beworben unter Bauernfamilien auf der Suche nach zusätzlichen Einkommensstandbeinen von DIin Daniela Keßler-Kirchmayr seitens der Landwirtschaftskammer. „Green Care Angebote vereinen Mensch, Tier und Natur und sind Paradebeispiele wie sich diese Faktoren positiv auf das Wohlbefinden der Menschen auswirken. Sie zeigen wunderbar auf, wie Landwirtschaft und soziales Miteinander ineinandergreifen können. Gerade im ländlichen Raum und in der Betreuung bzw. Entlastung pflegender Angehöriger besteht ein großes Potential“ so Landesbäuerin Andrea Schwarzmann, Vizepräsidentin der LK Vorarlberg. Ein eindrucksvolles Beispiel wie ein landwirtschaftlicher Betrieb im Vollerwerb neben den Bio-Mutterkühen und Bio-Legehennen sechs Bewohner/innen in den Pflegestufen 0-3 im Alter von 50 bis 90 Jahren ein betreut-selbstbestimmtes Leben in einem familiären Zuhause bietet, stellte Brigitte Ratheiser vom Rabingerhof in Hüttenberg/Kärnten vor: „Unser Green-Care Projekt “Alternativer Lebensraum” ermöglicht nicht nur älteren, sondern auch Menschen in schwierigen Lebenssituationen ein aktives Leben im Familienverbund am Bauernhof. Die Bewohner/innen werden in das alltägliche Leben integriert und haben Freude ihre Fähigkeiten im Hof oder Garten miteinzubringen und das gemeinsame Lachen kommt auch nicht zu kurz.“